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Prinzessin im Macho-Land

Samira Samii ist die einzige   Spielerberaterin in Deutschland. Fast täglich kämpft die gebürtige Perserin   mit Vorurteilen in ihrer Branche!
Von Jens Bierschwale – „Welt am Sonntag“ 22.09.13

zgbdc5-6bw2yihs2gn1ecwojb9b-originalDiese dämliche Waschmaschine. Wird sie vermutlich noch ihr ganzes Leben lang   dran denken müssen. Ball rein, Spot aus. Samira Samii will eigentlich gerade   einen Spielertransfer abwickeln, in einem edlen Designerkleid sitzt sie ihrem   Verhandlungspartner gegenüber, ihre High-Heels versteckt sie unter dem   Schreibtisch, die Frisur passt, das Make-up auch.

Und jetzt muss sie übers Waschen reden. Mein Gott, in welchem Jahrhundert   leben wir eigentlich? Also, sagt der Manager, er würde ja gern ihren Klienten   unter Vertrag nehmen, unter einer Bedingung: „Wenn du einen Fußball in eine   Waschmaschine schießen kannst, ist der Deal perfekt.“

Willkommen in der Chauvi-Welt. Zur Fußball-Europameisterschaft der Frauen hat   das ZDF einen Werbespot aufgenommen, in dem eine Frau zielsicher in eine   Wachmaschinentrommel trifft und damit das alte Klischee bedient: Fußball und   Frauen, ein schwieriges Thema in Deutschland, noch immer. Leider höre sie   derartige Vorurteile sehr oft, sagt Samira Samii. Genervt ist sie dann, aber   sie hat sich daran gewöhnt, dass Engstirnigkeit und Intoleranz Teile des   Geschäfts sind, mit denen frau sich arrangieren sollte, wenn sie erfolgreich   sein will.

Die 36-jährige Deutsch-Perserin ist die einzige Spielerberaterin in   Deutschland, eine Art Prinzessin in einer 140 Mann starken Macho-Welt, eine   Cinderella in der ewigen Männerdomäne.

Von ihrem Büro am Starnberger See aus   spielt Samira Samii mit in der Welt des Fußballs. Sie hat sich Anerkennung   erworben, denn sie ist nicht nur eine geschickte Verhandlungspartnerin,   sondern sie ist auch intelligent. Sie spricht sechs Sprachen, wuchs in   Toronto auf, machte ihr Abitur mit der Abschlussnote 1,0 und beendete ihr   Diplomstudium im Fach Tourismusmanagement in München als Jahrgangsbeste.

All das aber nützt ihr gar nichts, wenn sie sich in der Klischeewelt   behaupten muss. „Als Frau muss man in diesem Beruf immer um Anerkennung   kämpfen und darf sich keine Fehler erlauben“, sagt sie. „Leider ist es auch   im Jahr 2013 noch eine reine Männerdomäne, in der nach öffentlicher Meinung   eine Frau nichts zu suchen hat. Ich muss in meinem Job das Gleiche leisten   wie meine männlichen Kollegen und darüber hinaus mit sämtlichen Klischees und   Vorurteilen kämpfen.“

Die Waschmaschine eben, oder eine Situation wie vergangene Saison auf der   Tribüne beim Pokalspiel der Bayern in Augsburg. Ein anderer Agent von der   Kollegin wissen, in welcher Formation die Gäste auflaufen. Samira Samii   verweist an ihren Scout, der sich um so etwas kümmere, dann fährt sie fort:   „Sie spielen im 4-2-3-1 System! Kann ich dir noch etwas erklären?“ Derartige   Begegnungen hat sie häufig. „Immer wieder kommen Kompetenzfragen von   Geschäftspartnern, im VIP-Raum oder von Fans. Häufig höre ich noch heute   Fragen wie ‚Kennen Sie sich mit Fußball überhaupt aus?’, Wissen Sie, was ein   Eckball ist?’ oder ‚Erklären Sie mir mal die Abseitsregel’.“ Sie macht das   dann geduldig. Sie hat sogar Spaß daran gefunden, den männlichen Mitstreitern   auf Augenhöhe zu begegnen. Sie weiß, wie sie reagieren muss. Und sie hat   registriert, dass ihr Aussehen nicht unbedingt hinderlich ist, um sich im Macho-Land   zu behaupten. „Natürlich ist es als hübsche Frau einfacher, neue   Geschäftspartner kennen zu lernen und in ein Gespräch zu kommen“, sagt sie.   Sie kommt oft ins Gespräch.

Angefangen hat alles mal mit Ali Daei. Der iranische Stürmer, der früher in   der Bundesliga für Bielefeld, Bayern und Berlin auflief, war Patient ihres   Vaters. Hossein Samii ist Augenchirurg, einer der Besten seines Fachs. Daei   ließ sich vor Jahren von ihm behandeln, Samira kam mit ihm ins Gespräch und   entdeckte sukzessive ihre Liebe für den Fußball. „In kaum einer anderen   Sportart kann man seine Gefühle so ausleben, aus sich rausgehen, Stress   abbauen und Probleme vergessen“, sagt sie.

Inzwischen betreut Samira Samii gut zwei Dutzend Spieler selbst, darunter den   brasilianischen Ex-Weltmeister Adriano. Den bei Hertha BSC spielenden   Tunesier Sami Allagui berät sie in PR-Fragen, für die Stiftung von   Nationalspieler Per Mertesacker tritt sie als Botschafterin auf. Sie ist   längst schon angekommen in der Welt des Fußballs, die sie auch kennen gelernt   hat durch ihre inzwischen geschiedene Ehe mit Ex-Bundesligastar Mehdi   Mahdavikia (HSV, Frankfurt). Sie möchte nicht groß sprechen über die   unglückliche Liaison, Privates soll privat bleiben, das ist ihre Maxime. Wer   sich nicht daran hält, bekommt es mit ihrer Agentur zu tun. Neben   Fußballfachleuten arbeiten auch Anwälte für die Spieleragentin.

Die Avantgardistin in eigener Sache kann aber nicht nur zielstrebige   Geschäftsfrau sein, manchmal ist sie auch als mütterliche Beraterin gefragt.   Etwa dann, wenn junge Spieler aus dem Ausland nach Deutschland kommen, eine   bis dato fremde Kultur kennenlernen, die Familie zurücklassen, eine Wohnung   suchen und sich um Versicherungen kümmern müssen. „Als Frau hat man weibliche   Gefühle und kann seine Spieler vor allem auf emotionaler Ebene besser   erreichen als die männlichen Kollegen“, glaubt Samira Samii. „Meine   männlichen Kollegen vermitteln Spieler, und wenn der Deal gelaufen ist,   lassen sie die Spieler oft mit ihren Problemen allein.“

Sie macht das anders, vielleicht hat sie auch deswegen mit Vorurteilen zu   kämpfen. Vielleicht auch mit Neid. Empathie ist nicht unbedingt die   vorrangige Charaktereigenschaft des gewöhnlichen Spielerberaters in   Deutschland. Die meisten von ihnen verdienen vor allem bei Wechseln ihrer   Klienten, also sind sie ständig auf der Suche nach neuen Arbeitgebern. Zehn   Prozent der Ablöse fließen meist auf das Konto der Agenten, so funktioniert   das Geschäft. Viel Geld wird auf dem Feld bewegt, allein die 18   Bundesligaklubs haben in diesem Sommer 263 Millionen Euro für neue Spieler   ausgegeben. Samira Samii sagt, dass der monetäre Aspekt jedoch nicht   bestimmend für ihr Handeln sei. Sie müsse nicht unbedingt arbeiten, sei   finanziell unabhängig, habe aber soviel Spaß an der Arbeit, dass sie sich   jeden Tag aufs neue versucht als Frau in der ewigen Männerdomäne.

Für Martin Bader zählt die Deutsch-Perserin aber ohnehin nicht mehr zur   Exotin der Branche. Einige Male hat der Manager des 1. FC Nürnberg mit ihr   verhandelt, er sagt: „Wenn ein Spieler interessant für uns ist, ist es mir   egal, ob sein Berater ein mann, eine Frau, Autohändler oder was weiß ich   ist.“ Wichtig sei die professionelle Beratung. „Wer wie Samira über einen   längeren Zeitraum aktiv ist, hat sich durchgesetzt unter den Spielerberatern.“   Im Alleingang hat sie quasi die Frauenquote eingeführt. Obwohl im Fußball oft   noch alte Rollenbilder vorherrschen, in die eine wie Samira Samii aber so gar   nicht passen mag. „Viele männliche Geschäftspartner aus dem Fußball haben   Probleme mit einer hübschen Sportmanagerin und bleiben deswegen bei unseren   Geschäftsbeziehungen nicht immer sachlich“, sagt sie. „Leider haben viel   Menschen immer wieder Probleme mit der Darstellung von starker Weiblichkeit   und Schönheit gepaart mit Intelligenz. Soll ich etwa eine Maske tragen oder   mich als Mann verkleiden, wenn ich erfolgreich sein will?“

Komischerweise hat sie nur in Deutschland mit derartigen Problemen zu   kämpfen. Wenn sie im Mittleren Osten oder in nordafrikanischen Ländern über   Spielertransfers verhandle, begegne MANN ihr mit Anerkennung. Abschrecken   lassen mag sie sich davon nicht. Die Prinzessin im Chauvi-Land denkt schon   weiter. Gerade schreibt sie ein Buch, und dann ist da ja noch der Einbruch in   die nächste Männerdomäne: Managerin bei einem Bundesligaverein, sagt Samira   Samii, das könne sie sich gut vorstellen.

Quelle: Welt am Sonntag, 22.09.2013
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