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„Bei allen Entscheidungen sollte der junge Spieler im Mittelpunkt stehen“
Dürfen in Zukunft bald schon 16-Jährige als Profis in der Bundesliga spielen? Telefoninterview zur Senkung der Altersgrenze im Fußball mit Sportmanagerin und RUND-Kolumnistin Samira Samii

Dr. Samira Samii am Telefon in Paris (Sportmanagerin und Rund-Kolumnistin)Samira Samii am Telefon in Paris (Sportmanagerin und Rund-Kolumnistin)

Frau Samii die Wintertransferperiode ist gerade vorbei. Wie ist das Wintertransferfenster für Sie gelaufen?
Samii: Die Wintertransfers sind immer etwas weniger als nach Saisonende im Sommer. Wir haben einige kleiner Transfers von jungen Talenten begleitet und viele große Transfers für den Sommer vorbereitet. Wir sind sehr zufrieden!
Als Sport-Managerin und Spielerberaterin arbeiten Sie mit Talenten, aktuellen Superstars und Legenden zusammen. Wie alt sind Ihre jüngsten Spieler?
Samii: Mein jüngster Spieler ist eigentlich eine Spielerin. Es ist Samantha Kühne und sie ist 17 Jahre alt. Sie ist wie eine Freundin oder eine kleine Schwester für mich. Sammy ist ein Megatalent und spielt beim VFL Wolfsburg und in der U19 Nationalmannschaft.

Gibt es in Ihrer Agentur oder bei Ihnen persönlich eine Altersgrenze, ab der es Sinn ergibt mit jungen Spielerinnen oder Spielern zu arbeiten?
Samii: Oft sind junge Talente einfach noch nicht reif genug und ich bin kein
Freund davon, dass bereits 12-jährige Talente als neue Messis oder Ronaldos
bezeichnet werden. Häufig merkt man, dass vor allem die Eltern Druck machen.
Die Schule sollte immer vorgehen, denn oft zerplatzen die Träume der junge
Spieler schon sehr früh wieder. In diesem Alter reden auch noch zu viele
Menschen, Eltern, Großeltern, Lehrer, Trainer und eventuell schon ein
Berater mit. Auch bei jungen Spielern gilt: „Viele Köche verderben den
Brei!“ Manchmal ist es auch mehr der Traum der Eltern. In diesem Alter ist
es auch schon eine psychische Belastung, wenn der junge Spieler weit weg von
der Familie in einem Nachwuchsleistungszentrum lebt.

Wie ist Ihre Meinung zur Altersgrenze in der Bundesliga zum Schutz der
jungen Menschen vor zu hohen Belastungen?
Samii: In der Bundesliga ist die Belastung insbesondere aus psychologischer Sicht groß.
Ich halte es für zu früh, dass Dortmund den 15-Jährigen Moukoko verpflichtet hat. Es gibt heutzutage viele junge Spieler, die sehr früh schon sehr weit entwickelt sind und das physisch wie psychisch und jetzt möchte die DFL die Altersgrenze im Profibereich herabzusetzen.
Also dürften sogar B-Jugend-Spieler in der Bundesliga spielen.

Ein 16-Jähriger, der von Fans bejubelt oder ausgepfiffen
wird, ist großem psychischen Stress ausgesetzt. Kann das auch mal zu viel
werden?
Samii: Es ist für Erwachsene und gestandene Profis schwierig und eine
gigantischen psychische Belastung für alle Profis, wie man an Robert Enke
oder Sebastian Deisler gesehen hat. Aber ältere Spieler verarbeiten diesen
Stress mit Sicherheit besser.

Wären Sie als Sportmanagerin und Spielerberaterin gefordert jungen
Spielern in dieser Stresssituation zu helfen, mit solchen Belastungen
umzugehen?
Samii: Hier ist auch das Elternhaus und der Berater gefragt die jungen
Spieler zu unterstützen und beratend zur Seite zu stehen. Wichtig ist, dass
man schnell reagieren kann. Manchmal komme ich mir vor wie eine große
Schwester oder sogar Mutter für junge Spieler.

In den anderen europäischen Topligen wird das anders gehandhabt. In
England, Spanien und Italien dürfen Fußballer viel früher in
Profimannschaften auflaufen als in Deutschland. Würde eine einheitliche
Regelung Sinn ergeben?
Samii: Durch diese Regelung könnte die Bundesliga ihren Wettbewerbsnachteil
gegenüber anderen Ligen ausgleichen und hätte auch die Chance junge Spieler
früher auf dem Markt zu platzieren. Wenn man beispielsweise den 16-Jährigen
Ansu Fati des FC Barcelona betrachtet. Diesen Spieler würde es in
Deutschland noch gar nicht geben und Spanien will das Mindestalter auf 14
Jahre herabsetzen. In England ist das Mindestalter 15 und in Italien ab 16
Jahren bzw. ab 14 als Junge-Serienspieler. Meiner Meinung nach sollte
unbedingt eine einheitliche Regelung mindestens für die Uefa oder besser
noch für die Fifa beschlossen werden.

Ab welchem Alter sollten Ihrer Meinung nach in Deutschland Jugendliche
bei den Profis auflaufen dürfen?
Samii: Ich bin kein Freund davon die Altersgrenze immer weiter
herabzusetzen. Die jungen Spieler benötigen Zeit um sich physisch und
psychisch zu entwickeln. Der Kinderschutz sollte an erster Stelle stehen.
Hierzu gehört auch, dass man die Jugendlichen fragt und Ihnen eine
Mitbestimmung erlaubt. Die Schule sollte immer an erster Stelle stehen und
ebenfalls vertraglich geregelt sein. Ein Schulabschluss oder sogar das
Abitur sollte Pflicht sein. Denn auch viele hochtalentierte Spieler schaffen
nicht den Sprung in den Profibereich und müssen dann ihren Lebensunterhalt
mit einem normalen Beruf verdienen. Die Klubs sollten ihre Fürsorgepflicht
als Arbeitgeber nachkommen und dürfen ihre jungen Talente nicht verheizen.
Meiner Meinung nach muss eine Uefa- oder Fifa-weite einheitliche Regelung
fixiert werden. Alles andere ist Wettbewerbsverzerrung zwischen den großen
Ligen. Bei allen Entscheidungen sollte immer der junge Spieler im
Mittelpunkt stehen.

Online
Quelle: Rund- Das Fußballmagazin/02.02.2020

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