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Beraterin Samii im Interview
Gleichberechtigung „vermisst man im Fußball“

Chr1Ej1XAAAlcF_Samira Samii (Foto) ist ein Novum in Deutschland: Sie ist die einzige Sportmanagerin und Spielerberaterin in der Bundesrepublik, erarbeitete sich ihren Platz in der Männerdomäne Fußball-Bundesliga. Im TM-Interview erzählt sie über ihre Anfänge in der Branche, Unterschiede zu ihren männlichen Kollegen und ihre tägliche Arbeit.

Transfermarkt: Frau Samii, Sie sind eher spontan in den großen Fußball-Zirkus hineingerutscht. Erzählen Sie doch mal, wie es dazu kam.

Samira Samii: Schon als Kind habe ich mir gerne Fußball bei uns daheim angesehen, vor allem die extremen Emotionen waren immer faszinierend. Drüber hinaus waren und sind viele national und international bekannte Profis Patienten in der Klink meines Vaters. Entscheidend war aber die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Während des Turniers stellte ich mir immer die Frage, wieso dieser Sport solch eine Männerdomäne ist. Ich beschloss, dass ich als Frau etwas daran ändern will. Angefangen habe ich dann als Marketing-Managerin beim FC Ingolstadt. Am Anfang ging es mir darum, alles von Grund auf zu lernen, ich beschäftigte mich fast rund um die Uhr mit Fußball. Das war dann das Fundament für meine eigene Agentur.

Transfermarkt: Heute sind Sie Sportmanagerin und Spielerberaterin. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?

„Ich versuche, für all meine Mandanten das Beste rauszuholen“

Samii: Viele denken, dass sich die Tätigkeit auf das bloße Erstellen von Verträgen beschränkt, das stimmt aber nicht. Es ist ein sehr vielseitiges Aufgabengebiet. Das geht von der klassischen Abwicklung von Spielertransfers über PR und Marketingberatung bis zum Alltagsleben meiner Mandanten. Hier betreue ich nicht nur aktive Profis, sondern auch Akteure nach ihrem Karriereende. Ich versuche, für all meine Mandanten das bestmögliche herauszuholen. Das ist nicht immer nur mit Geld, sondern auch mit persönlichem Glück verbunden. Außerdem suchen renommierte Unternehmen stets nach bekannten Werbepartnern aus dem Sport. Hier suche ich stets nach der idealen Vermarktung. Nicht zu vergessen ist aber persönliche Unterstützung. Wenn beispielsweise ein Spieler aus Südamerika nach Deutschland wechselt, dann kümmere ich mich um die Familie und die Organisation des Alltagslebens, damit er sich voll auf seine neue Aufgabe konzentrieren kann. Für alle meine Mandanten versuche ich auch eine persönliche Stütze zu sein, wenn sie private oder karrieretechnische Probleme haben. Nur mit freiem Kopf können Spieler Leistung bringen, das habe ich von Hans Mayer gelernt. Ich bin für sie in allen Lebenslagen da.

Transfermarkt: Bei allem Bestreben nach Gleichberechtigung und Frauenquoten, haben Sie in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Beruf – Sie sind eine Frau. Können Sie Unterschiede im Umgang mit Ihren männlichen Kollegen ausmachen?

„Gleichberechtigung? Im Fußball gibt es durchaus Unterschiede“

Samii: Auf der einen Seite leben wir in einem modernen Land mit Gleichberechtigung. Im Fußball vermisst man das aber. Es gibt also durchaus Unterschiede. Als Frau muss man in dieser Branche immer besser sein als Männer, um ernst genommen zu werden. Ich würde behaupten, in Verhandlungen eine stärkere Position einzunehmen als viele meiner männlichen Kollegen. Ein Vorteil kann aber als Frau sein, mit einem gewissen Charme angespannte Situationen zu lockern und so zum Erfolg zu kommen. Ohne das nötige Know-How bringt sowas aber natürlich nichts, deshalb lege ich da großen Wert drauf.

Transfermarkt: Woran könnte es liegen, dass Sie im Ausland als Frau anders wahrgenommen werden?

Samii: Vielleicht sind die Menschen in einem anderen Land einfach froh, eine fachlich gute Beratung zu bekommen. In Deutschland herrscht vielleicht schon noch ein wenig eine gewisse Macho-Mentalität in diesem Bereich. In den Köpfen vieler gehören Fußball und Männer einfach zusammen, Frauen eher nicht. Möglicherweise ein Grund, warum es hier schwieriger ist als in anderen Ländern.

Transfermarkt: Offiziell steht derzeit kein Spieler der ersten Bundesliga unter Ihren Fittichen. Dafür arbeiten Sie intensiv mit ausländischen Stars zusammen, vermarkten etwa den brasilianischen Nationalspieler Willian vom FC Chelsea. Neben Marketing/PR zählen auch die Spielerberatung und Nachwuchsförderung zu Ihren Kerngeschäften. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen, wenn sich die Tätigkeitsfelder mal überschneiden?

„Mir ist es nicht wichtig, mich mit bekannten Namen zu schmücken“

Samii: Das ist eine Sache, die ich gerne mal klarstellen würde. Ich berate durchaus Spieler aus der Bundesliga. Es ist aber der ausdrückliche Wunsch der Spieler, diese Zusammenarbeit nicht öffentlich zu machen. Da für mich nur der Erfolg zählt, ist es mir nicht so wichtig, mich mit bekannten Namen zu schmücken. Unser gesamtes Team, insbesondere mein Chefscout Bouraoui Ben und ich, teilen uns die Arbeit so auf, dass Überschneidungen nicht vorkommen. International bekannte Namen werden von ganzen Berater-Teams betreut, in denen jeder seine individuellen Stärken und Netzwerke einbringt. Aus diesem Grund kommt es zu keiner Überschneidung.

Transfermarkt: Mit welchen Größen arbeiten Sie in diesem Bereich noch zusammen?

Samii: Unter anderem mit Emmanuel Eboué,  Michael Essien oder Arouna Koné. Ein in Deutschland sehr bekannter Name ist beispielsweise auch der von Giovane Elber, den ich im Marketing betreue. Sogar für Lothar Matthäus habe ich schon internationale Marketing-Aufträge an Land ziehen können. Die Liste ist aber lang.

Transfermarkt: Marcos Alonso ist derzeit mit acht Millionen Euro der marktwertstärkste Spieler, den Sie karrieretechnisch betreuen. Obwohl er bereits in England zu überzeugen wusste, zieht er es vor, weiter in Italien zu spielen. Ist das auch zukünftig ob der Geldflut für die Premier League noch möglich.

Samii: Die neuen TV-Gelder in der Premier League werden die Situation natürlich etwas verändern. Man kann das aber nicht pauschalisieren. Es gibt Spieler bei denen Geld die Hauptrolle spielt, ebenso aber welche, bei denen das nicht so ist. Sie legen dann beispielsweise mehr Wert auf Einsatzzeiten und das Gesamtpaket. Da zählt wiederum die Familie dazu. Südamerikaner leben oft einfach lieber in Italien oder Spanien.

Transfermarkt: Sandro Wagner erstaunte kürzlich mit der Aussage, dass Fußballprofis in seinen Augen zu wenig verdienen. Wie sehen Sie das?

Samii: Man muss bedenken, dass nicht jeder Spieler wie ein Cristiano Ronaldo oder Thomas Müller verdient. Zwar verdienen Bundesliga-Spieler natürlich auch viel Geld, allerdings geht das meist nur zehn bis zwölf Jahre so. Hier ist es wichtig, dass sie sich ein Polster schaffen, um später davon leben zu können. Wie gesagt, es ist auch ganz unterschiedlich, wie wichtig Spielern das liebe Geld letztendlich ist. Tendenziell legen junge Spieler mehr Wert auf sportlichen Erfolg und Perspektiven, ältere Spieler verdienen am Ende ihrer Karriere in arabischen Ländern, China oder in den USA gerne noch etwas hinzu.

Transfermarkt: Wird die sportliche Zukunft Ihrer Klienten nur kurz vor oder während der Transferperioden, oder auch in der laufenden Saison besprochen?

„Große Entscheidungen werden kurz vor oder während der Transferperiode getroffen“

Samii: Mein Team und ich sind natürlich im ständigen Kontakt mit den Klienten und besprechen weitere Schritte. Während der Saison sollen sich die Spieler aber auf das Sportliche und den aktuellen Verein konzentrieren. Große Entscheidungen werden also in der Regel erst kurz vor und während der Transferperiode ein Thema.

Transfermarkt: Karriere und Privatleben vermischen sich gerade im Fußballgeschäft oftmals, Sie stehen Ihren Klienten stets mit Rat und Tat zur Seite. Einer Ihrer betreuten Akteure ist der Brasilianer Adriano, einst ein aufgehender Stern am Fußballhimmel, aufgrund privater Probleme aber tief gefallen. Wie gehen Sie auf emotionaler Ebene mit solchen Schicksalen um?

Samii: Ich denke, dass ich als Frau in der Lage bin, eine ganz andere Beziehung zu den Klienten aufbauen zu können. Das ist ein Unterschied zu meinen männlichen Kollegen, denn ich erreiche meine Spieler wohl besser auf emotionaler Ebene. Dabei ist es völlig egal ob es ein ehemaliger Star wie Adriano oder ein junger Nachwuchsspieler ist. Ich versuche Rückhalt zu sein und bin Tag und Nacht erreichbar.

Transfermarkt: Zehren traurige Schicksale nicht manchmal auch an den eigenen Kräften?

Samii: Natürlich. Aber man muss lernen, die Emotionen zu kontrollieren. Auf der einen Seite bin ich natürlich mitgenommen und traurig. Auf der anderen Seite gilt es aber professionell und stark zu sein. Ich kann keinen Menschen aufbauen, wenn ich selbst vor ihm in Tränen ausbreche.

Transfermarkt: Sie betreuen auch ein paar „Altstars“ wie die beiden Weltmeister Andreas Brehme und Klaus Augenthaler. Große Jobs waren für sie zuletzt eher Mangelware, Klaus Augenthaler nahm beispielsweise einen Trainerjob bei einem Bezirksligisten an. Wie kommt es dazu?

Samii: An Anfragen mangelt es den beiden jedenfalls nicht, ihr Fachwissen ist nach wie vor sehr geschätzt. Auch wenn die Öffentlichkeit sowas nicht mitbekommt. Beide sind sehr glücklich in dem was sie tun. Die Entscheidung von Klaus Augenthaler war allein seine, ich habe damit nichts zu tun. Aber ich weiß, dass er rundum zufrieden ist. Und wenn er glücklich ist, dann bin ich es auch.

Transfermarkt: Sie engagieren sich auch viel im Jugendbereich, Deutschland gilt für viele andere Länder als Vorbild was die Förderung junge Spieler angeht. Was macht man hierzulande besser als beispielsweise in Italien?

Samii: Italienische Top-Vereine haben natürlich auch Nachwuchsabteilungen auf Top-Niveau und investieren viel Geld. Ich denke, dass das im Fußball immer Phasen sind. Als Frankreich 1998 Weltmeister wurde, galt deren Nachwuchssystem als revolutionär. Dann kamen Spanien und durch die WM 2006 auch Deutschland. Alles hängt eben mit Investitionen zusammen.

Transfermarkt: Was ist Ihnen bei der Beratung von jungen Spielern besonders wichtig?

Samii: Ich versuche ihnen frühzeitig Disziplin zu vermitteln. Deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit und volle Konzentration auf das Tagesgeschäft . Einen Fokus auf Training und ihre Leistungen. Sie sollen ein Ziel vor Augen haben und alles tun, um dieses auch zu erreichen. Der Weg in die Bundesliga ist nämlich lang. Hier versuche ich auch nach Rückschlägen immer wieder motivierend an der Seite der Jungs zu sein.

Transfermarkt: Sie haben ein weiteres Ziel und wollen gerne mal einen Fußballverein managen. Was treibt Sie in dieser Branche so an? Aufgrund Ihres adeligen familiären Background könnten Sie es ja auch eigentlich ruhiger angehen lassen.

Samii: Jeder Mensch hat Ziele und will diese auch erreichen. Ich bin stolz aus dieser Familie zu kommen und das hilft mir natürlich dabei, dass ich lockerer und sicherer arbeiten kann. Ohne Existenzängste kann man sich noch mehr auf die eigenen Ziele fokussieren. Ich bin stolz auf das, was ich bisher erreicht habe, sehe mich aber noch nicht am Ende meiner Schaffenskraft. Und wer weiß? Vielleicht schaffe ich es ja als erste Frau mal einen Bundesliga-Verein zu managen.

Quelle: Transfermarkt/Thomas Hürner/05.05.2016
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