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Theo Zwanziger, Günter Netzer und die Frage nach dem gekauften Sommermärchen
Seit zwei Wochen wird Fußball-Deutschland vom Skandal um die Zahlung von 6.7 Millionen an die Fifa durchgeschüttelt. Die Verantwortlichen des Organisationbskomitees für die WM 2006 sind in Erklärungsnot. Dazu kommen juristische Scharmützel des ehemaligen DFB-Präsidenten mit Fußball-Legenden. Von Samira Samii.

Samira Samii

RUND-Kolumnistin: Samira Samii

Ursprünglich war es Mitte Oktober nur eine harmlose Pressemitteilung des Deutschen Fußballbunds: An den Vorwürfen einer gekauften WM sei nichts dran. Dann wurde bekannt gegeben, dass kurz vor der WM fast sieben Millionen Euro an die Fifa geflossen seien. An wen wurde bezahlt? Für was wurde bezahlt? Warum wurde bezahlt? Später wurde bekannt, dass das Geld als Schwarzgeld dazu genutzt wurde, die vier Stimmen der asiatischen Vertreter im 24-köpfigen Fifa-Exekutivkomitee zu sichern. Dadurch bekam Deutschland die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land zugesprochen. Sowohl der Chef des Bewerbungskomitees Franz Beckenbauer als auch der heutige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sollen in die Geldtransaktion eingeweiht gewesen sein. Es geht um einen hohen Millionenbetrag an Bestechungsgeldern. Im Zuge der Ermittlungen wurden Fifa-Chef Sepp Blatter und sein möglicher Nachfolger Michel Platini von allen Funktionen enthoben.

Sollte sich der Verdacht der Korruption erhärten, könnte es sich um den größten Korruptionsskandal in der deutschen Sportgeschichte handeln. Infrage stehen insbesondere, wer 2005 die vom WM-OK angewiesenen 6,7 Millionen Euro hat und wohin zuvor schon 2002 eine angebliche Zahlung des früheren adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus in gleicher Höhe geflossen ist. Die vier asiatischen Stimmen waren extrem wichtig für Deutschland bei der Abstimmung des Fifa-Exekutivkomitees am 6. Juli 2000, um gegen den Mitbewerber Südafrika überhaupt eine Chance zu haben. Einer der vier Asiaten im Exekutivkomitee, der zugleich der Fifa-Strippenzieher im asiatischen Raum war, hieß Mohamed Bin Hammam. Horst R. Schmidt, damals wie Zwanziger, Niersbach und Beckenbauer OK-Mitglied, habe Zwanziger zufolge gesagt, Empfänger der 6,7 Millionen Euro sei Bin Hammam gewesen. Schmidt jedoch bestreitet, dass er das so gesagt habe.

Ich kenne Theo Zwanziger als erfahrenen Sportfunktionär und ehemaligen DFB-Präsidenten. So wie ich ihn kennengelernt habe, ist Zwanziger ein ruhiger und besonnener Mann. Was mich jedoch verwundert ist die Tatsache, dass Zwanziger in dieser Situation nicht nachlässt und immer weiter offenlegt. Er war zur fraglichen Zeit selbst in verantwortungsvoller Position und hört in diesen Tagen nicht auf weiter aufzudecken und nachzufragen. Ohne Zwanziger gäbe es einen Fifa-Skandal und einen VW-Diesel-Skandal, aber es gäbe ohne Zwanziger keinen Sommermärchen-Skandal.

Vielleicht ist es ein Skandal – vielleicht geht es aber auch im „Big Business“ gar nicht mehr anders!

Theo Zwanziger legt sich in der Zwischenzeit mit einer anderen Fußball-Legende an: Günter Netzer. Zwanziger und Netzer werden sich in dieser Affäre wohl vor Gericht wiedersehen. Zwanziger bestätigte nach Ablauf der Frist, er habe Netzers Unterlassungsaufforderung „selbstverständlich nicht unterschrieben“ und lasse es auf eine Klage ankommen. Zwanziger sagte ebenfalls, „Warum sollte ich etwas unterschreiben, dass ich gelogen habe, wenn ich die Wahrheit sage? Soll er doch klagen!“ Zwanziger zufolge hatte Netzer ihm bei einem persönlichen Treffen 2012 in Zürich erzählt, dass die vier asiatischen Stimmen für die WM-Vergabe mit den ominösen 6,7 Millionen Euro gekauft worden seien. Allem Anschein nach habe der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus dem deutschen WM-Organisationskomitee die Summe geliehenund über Umwege zurückbekommen. Netzer bestreitet, dies gesagt zu haben. Er verweist vor allem auf die Anwesenheit seiner Gattin Elvira, die bezeugen könne, dass Zwanziger lüge. Zwanziger jedoch behauptet, „20 Minuten war seine Frau vielleicht dabei, das Gespräch ging aber etwa eine Stunde lang. Das haben viele Leute gesehen. Netzer geht ein hohes Risiko“. Elvira Netzer solle seinetwegen „ruhig den Meineid schwören. Ich sehe das ganz gelassen“.

Es wird zu einem Prozess zwischen Zwanziger und Netzer kommen und eine der beiden Ikonen wird dabei definitiv auf der Strecke bleiben. Entweder Netzer oder Zwanziger wird der Lüge überführt und verliert dabei seine Reputation und sein Gesicht. Schade, dass es im Land des Fußballweltmeisters nun zu so einem Skandal gekommen ist.

Zwanziger hat jedoch mit seinen Aussagen eine Lawine ins Rollen gebracht und offen bleibt die Frage: „Was ist mit den 6,7 Millionen und geht es im Big Business überhaupt noch anders?“

Quelle: Rund- Das Fußballmagazin/01.11.2015
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