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-Allein im Sperrgebiet –

Samira Samii

Samira Samii
Foto: Tobias Lang

Frauenquoten, wie sie in Politik und Wirtschaft immer wieder diskutiert werden, sind im Fußballgeschäft undenkbar. Zu gering ist die Zahl der Frauen, die sich ins Haifischbecken Bundesliga wagen. Samira Samii (35) ist Spielerberaterin. Und damit die Einzige in einer ewigen Männerdomäne.

Ein kahles Zimmer in Port el Kantaoui, Tunesien. Fünf Männer und eine Frau sitzen an einem nussbraunen Verhandlungstisch. Die Klimaanlage hat die Temperatur unter zwanzig Grad gedrückt, allen Beteiligten steht Anspannung ins Gesicht geschrieben. Die Frau am Tisch ist zierlich und trägt ein schwarzes Designerkleid.

Sie ist extravagant geschminkt und hat ihre Haare mit einer goldenen Spange zu einer eleganten Frisur hochgesteckt. Immer wieder klopft sie mit ihren hohen Absätzen gegen das Stuhlbein. Samira Samii ist Spielerberaterin.

Nach fünf Stunden hat sie es geschafft, schriftfest zu machen, was zuvor in monatelangem Geschachere nur umrissen wurde: Der Transfer ihres Mandanten Adel Chedli vom französischen Zweitligisten FC Istres zum tunesischen Erstliga-Klub Ätoile Sportive du Sahel.

Samira Samii atmet tief durch und verlässt den Raum mit einem dicken Ordner unterm Arm. Verhandlungsrunden wie diese sind für sie inzwischen zur Routine geworden. Dass sie dabei fast immer die einzige Frau ist, auch.

Anfangs wurde ich von den Männern oft in Fußball-Fachfragen getestet, erzählt sie. Da kam dann schon mal die typische Frage nach dem Abseits. Inzwischen hat sie sich einen Ruf erarbeitet, der ihr solche Tests erspart. Sehr hart sei sie beim Verhandeln mit ihren Gegenübern. Respektvoll, jedoch nie ängstlich.Verhandlungen über Spieler-Transfers sind stressig, ziehen sich oft über Monate hin und zehren an den Nerven aller Beteiligten. Meine Verwandten fragen mich oft, warum ich mir das alles antue, sagt sie. Sie haben Angst, dass ich irgendwann noch einen Herzinfarkt bekomme und schimpfen immer, ich soll endlich mal die Klappe zumachen, sagt Samira lachend und deutet auf ihr iPad, das in ein einen schwarzen Lederschutz gehüllt ist. Auf Einkommen ist Samira nicht angewiesen. Ihr Vater ist ein renommierter Augenchirurg und hat eigene Kliniken, die Mutter stammt aus dem persischen Hochadel. Beim Fußball packen mich die Emotionen, ohne ihn würde mir etwas fehlen. Wenn ich eine spannende Partie sehe, raste ich manchmal völlig aus und fiebere begeistert mit, erzählt sie.Samira sitzt in ihrem Büro. Vom Schreibtisch aus hat sie Blick auf den Starnberger See, der in der Ferne schimmert. Alles im Raum ist penibel aufeinander abgestimmt. Kein unnötiger Schnickschnack, klare Linien und Kanten. Nur eine weiße Orchidee steht zwischen ihrem MacBook und dem silbergerahmten Familienfoto. Von hier aus sondiert sie den Markt nach Angeboten aus den beiden Bundesligen, der französischen, englischen und italienischen Liga. Unter den Angeboten der Vereine sucht sie passende für ihre Mandanten aus. Wenn einer ihrer Spieler an einem Wechsel interessiert ist, kommt es zur Verhandlung über die Rahmenbedingungen. Über Ablösesumme, Zeitpunkt und unzählige weitere Details wird wochenlang gefeilscht. Kommt es zur Einigung, stehen Besprechungen über Gehalt, Vertragslaufzeit und Prämien an.

Eines von Samiras drei Handys vibriert. Sie schaut aufs Display. Die schon wieder, seufzt sie. Seit Tagen werde ich von den Boulevardmedien mit Nachfragen über die Trennung von Rafael und Sylvie van der Vaart bombardiert. Schon mehrere Jahre ist Samira mit den van der Vaarts befreundet. Sie legt das Handy weg und winkt ab. Klatsch über das Privatleben anderer Leute interessiert mich nicht. Ich würde auch nicht wollen, dass man sich in meine Angelegenheiten einmischt, erzählt sie. Zu oft musste auch sie selbst erleben, was es bedeutet, wenn Fremde in die intimsten Bereiche eindringen.

Zum Beispiel vor knapp sieben Jahren, als ihre Trennung von Fußball-Profi Mahdavikia von den Boulevardmedien ausgeschlachtet wurde. Damals wurde bekannt, dass der iranische HSV-Profi eine Doppelehe führte. Eine schmerzhafte Zeit für die damals 26-Jährige. Nachfragen zu ihrem Privatleben blockt sie seitdem ab, ist vorsichtig geworden bei allem, was sie über sich selbst preisgibt.

Geboren wurde Samira in Teheran. In Kanada und Frankreich wuchs sie auf, ging dort zur Schule. Dass sie sich nach ihrem Management-Studium für den Sport entschied, ist kein Zufall. Schon immer war Samira mit Fußball konfrontiert. In der Klinik des Vaters ließen sich Ali Daei und viele andere bekannte Profi-Fußballer behandeln. Das Schlüsselerlebnis war aber ein Champions-League-Spiel des AC Mailand im Jahr 2006. Das Spiel war über neunzig Minuten packend, eine überwältigende Partie. Da kam ich auf die Idee, Fußball und meine Managementerfahrung zu verbinden, erzählt sie. Über Jobs als Marketing-Managerin in Ingolstadt und Altona führte sie ihr Weg zur eigenen Agentur mit mehreren Dutzend Fußballspielern.

Über die Jahre hat Samira ein funktionierendes Unternehmen aufgebaut, beschäftigt mehrere Angestellte. Darunter einen Scout, der Spieler auf der ganzen Welt beobachtet. Auch in ihrer Heimat, wo sie selbst keine Fußballspiele besuchen darf. Denn im Iran sind Fußballstadien für Frauen noch ein Sperrgebiet.

Sie sind die erste Spielerberaterin, die beim FC Bayern München einen Fuß in die Tür gekriegt hat, sagte Wolfang Dremmler, Chefscout der Münchner und ehemaliger Nationalspieler, einmal zu Samira. Am Leuchten ihrer Augen erkennt man, was ihr dieses Kompliment bedeutet. Für die Zukunft hat sie klare Vorstellungen: Managerin eines Bundesliga-Vereins werden. Sie scheut es nicht, ihre Sympathien offen zu bekunden: Jürgen Klopp macht einen super Job und ich habe großen Respekt vor Uli Hoeneß. Die Idealbesetzung wäre dann wohl Kloppo als Trainer, Hoeneß als Präsident und ich als Managerin, sagt Samira und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Quelle: Tobias Lang/28.02.13/11 Freunde & Co. Fußball Magazin
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