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Klaus Augenthaler: „Pep kennt jeden Gegner in und auswendig“
Am 15. Spieltag feiert der FC Bayern München seine Rekord-Herbstmeisterschaft: Ein RUND- Interview mit dem Weltmeister und früheren Bayern-Profi Klaus Augenthaler unmittelbar nach dem 4:0-Sieg in Augsburg. Mit von der Partie war auch die deutsch-persische Spielerberaterin und RUND-Kolumnistin Samira Samii.

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Samira Samii & Klaus Augenthaler

 

Klaus Augenthaler

404 Bundesligaspiele für den FC Bayern München: Klaus Augenthaler, der hier das Trikot der Bayern Allstars bei einem Spiel in Madrid trägt. Foto Pixathlon

Herr Augenthaler: Die schwierigste Frage vorweg: Hätten Sie es gegen die Bayern heute ähnlich versucht wie Markus Weinzierl mit Augsburg?
Klaus Augenthaler: Die erste Halbzeit war ja okay! Augsburg hatte die Bayern unter Druck gesetzt, die fast keine Möglichkeiten hatten. Aber 0:0 ist dann gegen die Bayern zur Pause zu wenig. Man hätte vielleicht sogar in Führung gehen müssen. Es gab zwei bis drei Möglichkeiten, aber keine großen und zwingenden Torchancen.

Der „kicker“ hat Pep Guardiola vorgeworfen, sich zu sehr nach dem Gegner zu richten. Weil er die Mannschaft vor jedem Spiel auf den nächsten Gegner einstellt, obwohl die Bayern doch meist überlegen sind: Halten Sie die Kritik für berechtigt?
Klaus Augenthaler: Es ist keine Kritik an Pep Guardiola, sondern es ist einfach nur professionelle Arbeit von Pep. Er kennt jeden Gegner in und auswendig. Nur ein Beispiel: Er hat während des Spiels genau beobachtet, dass die Abstöße vom Augsburger Torwart oft leicht nach rechts gegangen sind. Plötzlich war Xabi Alonso gleich vor einem Abstoß auf die linke Seite gegangen, weil Bobadilla sehr kopfballstark ist. Alonso hat dort seinen linken Verteidiger Juan Bernat unterstützt, der einen Kopf kleiner ist als Bobadilla.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?
Klaus Augenthaler: Ich habe Bayern gegen Manchester City gesehen, wo sechs Stammspieler gefehlt haben. Das hat man nicht gemerkt. Es weiß jeder Spieler, was er zu tun hat, egal welcher Spieler auf welcher Position spielt. Das beste Beispiel ist Philipp Lahm, der als Außenverteidiger groß geworden ist und jetzt spielt er eine sehr große Rolle im Mittelfeld. Genauso geht es mit zwei, drei anderen Spielern. Man kann sich alles erarbeiten im Training, wenn die Qualität da ist.

Welche Mittel hat man als Trainer zur Verfügung, um den Zufall des Spiels zu minimieren?
Klaus Augenthaler: Die Mittel im Training sind die, dass man immer wieder Abläufe trainiert mit den verschiedenen Spielern, die auf verschiedenen Positionen spielen. Es geht immer wieder über gleiche Abläufe im Training und einstudierte Automatismen.

Pep Guardiola will die Kontrolle über das Spiel erreichen. Hat er dem Fußball der Bayern damit eine neue Identität gegeben?
Klaus Augenthaler: Es wollen viele immer über Ballbesitz dominieren, nur für Ballbesitz gehören immer zwei dazu. Also auch der Gegner. So wie Augsburg heute von Anfang an versucht hat, die Bayern unter Druck zu setzen und teilweise unter Druck gesetzt hat. Die Bayern werden aber nicht hektisch unter Druck. Das passiert unter anderem nicht, weil sie einen Torhüter haben, der fußballerisch sehr gut und praktisch der elfte Feldspieler ist. Es ist eben schwierig, eine Mannschaft wie den FC Bayern 40 oder 60 Minuten unter Druck zu setzen. Es kostet den Gegner zu viel Kraft.

Bestand die Identität zuvor eher auf der Willensebene, dem absoluten Willen zum Erfolg?
Klaus Augenthaler: In der letzten Saison hat der FC Bayern hier 1:0 verloren. Die Wunde sitzt natürlich tief. Man darf gegen Augsburg eigentlich nicht verlieren, aber man kann mal verlieren! Die erste Halbzeit war ja 0:0 und es gab keine große Torchancen auf beide Seiten nur ein paar Möglichkeiten. Aber es hat nichts mit dem Willen zu tun! Die Bayern haben natürlich das Glück gehabt, durch eine Standardsituation in Führung zu gehen. Als neutraler Beobachter hätte ich es gerne gesehen, wenn Augsburg in Führung gegangen wäre. Wie hätte Bayern dann reagiert?

Wodurch zeichnet sich Augsburg aus Ihrer Sicht besonders aus: die Kompaktheit oder die Kreativität im Mittelfeld?
Klaus Augenthaler: Unabhängig von dem einen Spiel und unabhängig von der Tabellensituation in dieser Saison zeichnet sie aus, dass sie mit Stefan Reuter einen Sportdirektor haben, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Mit Markus Weinzierl hat er einen Trainer, der weiß was machbar ist mit dem FC Augsburg. Markus Weinzierl hat eine Mannschaft geformt, die aus dem Kollektiv lebt. Aber die Bayern sind momentan auch ein Kollektiv mit einer sehr hohen Qualität. Der FC Augsburg hat in der ersten Halbzeit dieses Kollektiv ausgenützt, um dem FC Bayern Paroli zu bieten.

Wird gegen die hoch stehenden Torhüter zu selten aus dem Mittelfeld geschossen, wie bei ihrem Jahrhunderttor gegen Uli Stein?
Klaus Augenthaler: Ich glaube nicht, dass diese Frage abzielt auf mein Jahrhunderttor. So ein Tor schießt man eben nicht alle vier Wochen, oder alle zwei oder drei Monate. Aber häufiger könnte es passieren, so wie Robben das zweite Tor gegen Augsburg macht: Er sieht, dass der Torhüter zu weit auf der linken Seite steht und lupft dann den Ball. Man sieht diese Tore zu wenig! Nicht nicht nur aus 50 Metern, sondern auch aus 20 oder 25 Metern. Dass der Spieler einfach mal schaut: wo steht der Torwart? Die meisten Schützen schauen nur auf den Ball und nicht wo der Torwart steht.

Frau Samii bitte geben Sie uns Ihre Meinung zum Spiel FC Augsburg  gegen den FC Bayern?
Samira Samii: Für mich war im Vorfeld klar, dass der FC Bayern dieses Spiel sehr ernst nimmt und am Ende klar mit drei oder vier zu null gewinnen wird. Ich war im Stadion als der FC Augsburg letztes Jahr das Spiel gegen Bayern gewinnen konnte und ich habe mir das Champions -League-Spiel vor drei Tagen gegen ZSKA Moskau in der Allianz Arena angesehen. Da war mir schon klar, dass der FCB dieses Jahr auf gar keinen Fall beim FCA velieren möchte: Viele Stars wurden in der Champions League geschont damit sie am Samstag gegen Augsburg ausgeruht sind um den Herbstmeistertitel frühzeitig zu holen. Man muss aber die Leistung des FC Augsburg absolut anerkennen. Den Respekt des großen FC Bayern muss man sich mit vielen guten Leistungen hart erarbeiten und verdienen. Der FC Augsburg hat stark begonnen und sogar die großen Bayern unter Druck gesetzt, so dass ein paar Mal sogar Manuel Neuer in letzter Not retten musste. Jedoch hatten die Augsburger bis zur Halbzeit bei einem Stand von 0:0 viel Kraft und Energie verbraucht. Schließlich ging es in der zweiten Halbzeit ziemlich schnell.

Quelle: Rund- Das Fußballmagazin/15.12.14
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