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„Die Tragödie hing wie ein Schleier über 96“

Nach Robert Enkes Suizid half UWE GOSPODAREK (42) in Hannover aus. Er spricht über diese schweren Zeiten, aber auch über schöne.

Uwe Gospodarek

„Uwe Gospodarek“
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Ja, ich habe auch kein Bundesligaspiel für 96 bestritten. Der Anlass meines Engagements dort war ein trauriger, denn Hannover suchte im Herbst 2009 nach dem Suizid Robert Enkes einen erfahrenen Torwart, der Florian Fromlowitz den Rücken freihalten sollte. Binnen fünf Minuten waren die Vertragsgespräche mit Manager Jörg Schmadtke erledigt.

Sie hatten Ihre Karriere schon beendet. Ja, richtig, mein Vertrag in Gladbach war im Frühjahr 2009 aufgelöst worden, nachdem der Verein Logan Bailly verpflichtet hatte. Ich war Torwarttrainer in Burghausen. Jörg fragte nur: „Hast du inzwischen ein Bäuchlein?“ Ich konnte das verneinen (lacht), und bereitete mich intensiv vor, um fit nach Hannover gehen zu können.

Wie haben Sie die Stimmung in und um den Verein empfunden? Sehr gedrückt, sehr nachdenklich. Allerdings wurde Roberts Tod gar nicht oft thematisiert. Alle wirkten gehemmt. Die Tragödie hing wie ein Schleier über Hannover 96.

Damals gab es von vielen gute Vorsätze, was den Umgang mit Depressionen im Profifußball angeht. Was ist geblieben? Im Bundesligageschäft war und ist es so, dass man „funktionieren“ muss. Wer die Krankheit hat, muss psychologisch behandelt werden. Das ist traurig, aber die Realität. Man kann dann wohl schon seine Leistung abrufen, aber letztlich ist es grenzwertig, denn Fußball soll ja vor allem Spaß machen.

Wie konnten Sie Fromlowitz helfen? Indem ich ihm schnell klarmachte, dass ich nicht da bin, um eine Konkurrenzsituation aufzubauen, sondern ihn zu stärken. Gemeinsam mit Torwarttrainer Jörg Sievers hat das gut geklappt.

Am letzten Spieltag schaffte Hannover mit einem 3:0 in Bochum noch den Klassenverbleib. Der VfL, Ihr Ex-Klub, stieg ab. Wie erlebten Sie das? Jubel und Erleichterung hier, Trauer dort. Dariusz Wosz, Bochums Trainer, mit dem ich zusammengespielt hatte, fiel mir weinend in die Arme.

Hatten Sie persönlich in Bochum Ihre schönste Zeit? Es war eine sehr erfolgreiche Zeit, in der ich mich weiterentwickelt habe. Wir stiegen auf, hatten ein gutes erstes Jahr in der 1. Liga. Irgendwann ließ ich dann auch nach, was ich heute darauf zurückführe, dass mein Torwartcoach Ralf Zumdick seinen Trainerschein machte und in der täglichen Arbeit wegfiel.

Hätten Sie insgesamt aus Ihrer Karriere mehr machen können oder müssen? Müssen! Ich war nicht schlechter als Frank Rost oder Timo Hildebrand, aber ich war zu brav. Ich habe zu oft meine Klappe gehalten, wo ich sie hätte aufmachen müssen. Auf einmal war ich mit 28 Jahren ein halbes Jahr arbeitslos, da macht man sich seine Gedanken.

War es zu Beginn Ihrer Karriere förderlichoder hinderlich, dass Sie beim FC Bayern Klasseleute wie Raimond Aumann oder Oliver Kahn vor sich hatten? Nicht hinderlich. Ich hatte eine Top-Ausbildung, habe bei den Profis trainiert, auf der Bank gesessen und bei den Amateuren gespielt, auch an einem Wochenende. Als zweiter Mann bei Bayern muss man warten können, aber dann wollte ich spielen und ging nach Bochum.

Verstehen Sie da Sven Ulreich, der heute als Bundesliga-Stammtorwart wechselt und sich quasi freiwillig hinter Manuel Neuer auf die Bank setzt? Wenn man seinen Hintergrund kennt, dass er in Stuttgart zum Teil von den Fans angefeindet wurde und keinen leichten Stand hatte, ja. Er wollte einfach noch mal was anderes machen, und bei Bayern lernst du jeden Tag sehr viel.

Wissen Sie übrigens, was Sie Oliver Kahn voraushaben? Nein, was?

Sie sind in der Champions League ungeschlagen… …ja, aber es waren auch nur zwei Spiele damals, 1995. Allerdings wichtige im Viertel- und Halbfinale gegen Göteborg beim 2:2 auswärts und beim 0:0 gegen Ajax daheim. Das waren meine Highlights dort.

Sie waren Torwarttrainer beim DFB, und heute sind Sie es beim FC Bayern in der U 15, U 16 und U 17. Wie lautet Ihre Philosophie? Wie gesagt: Fußball soll Spaß machen, dann bringt man auch Leistung. Ich vermittle meinen Jungs, dass sie jeden Tag mit Freude ins Training kommen sollen, es nicht als Last empfinden. Dazu haben sie mit der Schule und Ausbildung ein Riesenpensum.

Wie kriegen Sie den Spagat hin, dass die Nachwuchskeeper Manuel Neuer nacheifern sollen und wollen, aber gleichzeitig ihren eigenen Stil entwickeln? Indem ich mit ihnen die Basics wie Fangen, Springen, Mitspielen vertiefe. Zum Beispiel habe ich einen 1,90-Meter-Jungen, der sich jetzt kaum schmeißen muss, der es aber mit Blick auf den Seniorenbereich lernen soll. Wir haben hier im Verein mit Manu den weltbesten Keeper, aber diesen Torwart-Typ wird es eh so schnell nicht mehr geben.

Die Durchlässigkeit zu den Profis scheint schwierig. Bilden Sie demnach eher für andere Vereine aus?Nein, unser Ziel ist schon, dass die Juniorenkeeper irgendwann so weit sind, die Nummer 2 oder 3 bei Bayern werden zu können. Aber die Latte liegt hoch, wir reden hier nur von Weltklasse in diesem Kader.

Ihre Managerin Samira Samii sagt über Sie: „Uwe ist launisch und manchmal etwas stur. Er braucht jemanden, der ihn pusht.“ Stimmt das? Sicher bin ich mal launisch, aber ich bin schon motiviert. Natürlich verzweifelt man schon mal, wenn man die Jungs immer wieder antreiben muss. Aber es macht insgesamt viel Spaß.

Managt sie auch Ihre Karriereplanung, und wohin geht Ihre Reise noch? Sie ist für PR und Marketing zuständig, das macht sie gut. Generell will ich mich gerne und oft fortbilden und als Torwarttrainer auch in anderen Ländern zuschauen. Leider fehlt mir öfter die Zeit dazu.

Quelle: Kicker/17.12.2015- INTERVIEW: THOMAS BÖKER

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