“Wir werden einen Fight erleben”
Sportmanagerin und RUND-Kolumnistin Samira Samii über das wilde Viertelfinale von Paris Saint Germain gegen den FC Bayern und warum Sie an ein Weiterkommen der Münchner im Rückspiel glaubt
Frau Samii, Sie sind eine der erfolgreichsten Sportmanager in Europa. Verfolgen Sie die Bundesliga auch noch, wenn Sie regelmäßig beim AS Monaco sind?
Samira Samii: Natürlich. Das ist mein Job und Informationen über Spieler, Manager und Vereine sind die Basis für jeden Spielerberater und Sportmanager. Die Bundesliga ist eine der besten und interessantesten Ligen der Welt und ich bin 365 Tage im Jahr am Ball. Aktuell kann man nicht in die Stadien gehen also wird sehr viel digital, am TV oder in Videokonferenzen erledigt. Und ich reise mit negativen PCR-Tests viel nach und in Deutschland um immer auf dem Laufenden zu sein. Die Bundesliga ist superspannend und mit der Premier League und der Primera Division die stärkste Liga der Welt, aber natürlich ist die Champions League die Königsklasse.
Lassen sie uns über die Königsklasse sprechen. Sie arbeiten sowohl mit dem FC Bayern, als auch mit Paris Saint Germain zusammen. Wie fanden sie das Spiel?
Samira Samii: Der FC Bayern musste auf ihren überragenden Weltfußballer Robert Lewandowski verletzungsbedingt verzichten. Das ist ein sehr großer Schlag für den FCB und es war klar, dass die Bayern das mit ihrem dünnen Kader nicht kompensieren können. Bei den Parisern waren Neymar und Mbappé topfit. Das Spiel hatte einfach alles! Es war die Begegnung zweier Topteams auf Augenhöhe. Es war ein packendes Duell, in dem Manuel Neuer ausnahmsweise einmal gepatzt hat und Mbappé den Bayern einen Doppelpack geschenkt hat.Es war aber auch ein Heimspiel der Bayern mit 31:6 Torschüssen auf das Pariser Tor und nur 3 hochkarätigen Chancen für PSG. Die Bayern hatten gegen Paris über 63 Prozent Ballbesitz und hatten bei Weitem mehr Zweikämpfe gewonnen. Trotzdem gewinnt Paris Saint Germain das Spiel mit 3:2 und hat jetzt gute Karten für das Rückspiel.
Wie bewerten Sie die Leistungen der beiden Teams im Champions-League-Viertelfinale?
Samira Samii: Paris macht aus wenigen Chancen drei Tore und der FCB macht aus sehr vielen Chancen nur zwei Tore. Ich denke die Chancenauswertung war heute der ausschlaggebende Unterschied. Wenn die Effizienz der Bayern nur etwas besser gewesen wäre, wäre das Spiel vielleicht 4:3 oder 5:3 ausgegangen. Dieses Ergebnis wäre dem Spiel dann auch angemessener gewesen. Es war ein tolles Spiel! Die Bayern kamen früh in Rückstand, hatten nie aufgegeben und kämpften sich zurück ehe das 3:2 gefallen ist. Selbst danach kämpften sie weiter. Aber man hat auch gemerkt, dass Robert Lewandowski gefehlt hat und der ohnehin kleine Kader mit den neuen Verletzungen immer dünner wird.
Ist der Kader in dieser Saison ein Problem für Bayern?
Samira Samii: Ich denke ja. Einen Weltstar, wie Robert Lewandowski kann man nicht eins zu eins ersetzen. Das kann keine Mannschaft der Welt. Aber wenn ich an das Rückspiel denke wird es für Hansi Flick immer schwieriger, eine Topmannschaft aufzustellen. Ich habe da eine ähnliche Meinung wie Lothar Matthäus, der erst kürzlich gesagt hat, dass der Kader nicht mehr ganz so gut ist wie letzte Saison. Die Abgänge mit Thiago, Coutinho und Perisic konnten durch die Zugänge bei Weitem nicht kompensiert werden. Jetzt gibt es weitere Verletzungen mit Goretzka und Süle. Zum Schutz der restlichen Stammspieler hat Hansi Flick jetzt sogar mit einer B- oder C-Elf das Bundesligaspiel gegen Union Berlin gespielt. Das zeigt die angespannte Personalsituation.
Wie sehr schauen Sie auf die Spielstatistiken?
Samira Samii: Ich sitze immer mit meinem Notizblock oder mit dem iPad im Stadion oder vor dem Bildschirm. Oft bin ich schon darauf angesprochen worden, ob ich nicht einmal ein Spiel genießen könne. Aber das ist meine Arbeit, und ich habe großen Spaß daran. Was wir im modernen Sport an Statistiken haben ist für jeden Trainer, Spieler und Manager die Grundlage aller Entscheidungen. Man kann heute viel besser und fundierter begründen welcher Spieler sich in welcher Form befindet bzw. welcher Spieler zu welcher Mannschaft passt. Deswegen kann ich auch sagen, dass die Mannschaft des FC Bayern zur Zeit eine der erfolgreichsten aller Zeiten ist. Aber es ist auch klar erkennbar, dass es nach den ersten 13-14 Spielern eine große Lücke gibt. Ein Topteam sollte jede Position doppelt und möglichst gleichwertig besetzt haben.
Wie ist Ihre Prognose für das Rückspiel?
Samira Samii: Es wird sehr, sehr hart für Bayern und Paris hat erstmal einen großen Vorteil. Aber, wenn der FCB auch in Paris 31 Torschüsse abgibt werden sie definitiv mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Die Verletzungssituation bei den Bayern wird auch ausschlaggebend sein. Für Lewandowski kommt das Spiel wahrscheinlich zu früh, Süle kann notfalls durch Boateng gleichwertig ersetzt werden und hoffentlich kann Goretzka spielen. Wir werden einen Fight erleben und der FC Bayern wird alles geben. Ich denke die Art und Weise des Hinspiels kann einen sehr positiv stimmen, nicht das Ergebnis. Ich tippe auf einen Sieg der Bayern mit zwei Toren Unterschied.
Quelle: Rund- Das Fußballmagazin/12.04.2021
Online
This post is also available in: German